Interessengemeinschaft
                Braunsfelder Bürger

Neue Nutzungen für alte Industriebauten

von Dr. Walter Buschmann

Im Kölner Westen gibt es eine Vielzahl alter Industriegebäude, für deren Erhalt sich die Interessengemeinschaft Braunsfelder Bürger einsetzt. Dr. Walter Buschmann stellt im folgenden gelungene Beispiele der Umnutzung von alten Industriegebäuden in Braunsfeld, Ehrenfeld und Müngersdorf vor.

Vulkan-Gelände in EhrenfeldDie industrielle Produktion ist in den großen Wirtschaftsnationen weltweit auf dem Rückzug. Die Deindustrialisierung - wie man diesen Vorgang heute gern bezeichnet - führte zu Stilllegungen und flächenhaften Abbrüchen. Die dabei entstandenen Verluste führten zu einer Sensibilisierung gegenüber den Zeugnissen der Industrie. Diese werden heute selbstverständlich einbezogen in die denkmalpflegerischen Erhaltungsbemühungen. Ziel der Denkmalpflege ist auch in diesen Fällen die Integration der Objekte in das gesellschaftliche und städtebauliche Leben, aber unter Wahrung der historischen Zeugniskraft der Objekte. Es gibt hierzu großartige, geradezu spektakuläre Resultate.

Besonders interessant sind für uns die im Kölner Nordwesten bereits realiserten Umbaubeispiele. Denn sie zeigen, was angesichts der hiesigen Standortbedingungen möglich ist.

An erster Stelle sei das 4711-Gelände an der Venloer Straße genannt. Die Produktion des Unternehmens war schon 1992 nach Bickendorf verlagert worden und später kam es durch einen Investor zum Umbau der Fabrik. In den historischen Fabrikgebäuden sind überwiegend Büros entstanden. Es gibt eine ergänzende Bebauung mit Wohnungen und Läden sowie Sozialeinrichtungen. Es waren für den Umbau auch schwere Verluste an historischer Substanz hinzunehmen. So mußten die Vorhangfassaden komplett erneuert werden. Insgesamt bewerte ich dieses Beispiel für die kommerzielle Nutzung eines Industriedenkmals jedoch als positiv.

Ebenfalls kommerziell genutzt werden die Hallen der Maschinenfabrik Voss & Maack am Ehrenfeldgürtel durch die Firma Balloni. Mit diesem Beispiel wird gezeigt, wie eine große Halle ohne beeinträchtigende Einbauten sinnvoll genutzt werden kann. Auch die kleinteiligen Büroräume sind angemessen in die historische Raumdisposition integriert.

ehemaliges Preßwerk Flohr an der Widdersdorfer Straßeheute Sitz der Firma MediatecBalloni war Vorbild für den Umbau des Preßwerks Hermann Flohr an der Widdersdorfer Straße. Die Umgestaltung der zuletzt stark verwahrlosten Gebäude bewahrte geschickt das Ambiente der Werksanlage.

Schließlich ein etwas älteres Beispiel für die kommerzielle Nutzung eines Industriedenkmals: das Verwaltungsgebäude der Fa. Helios. Hier sind Arztpraxen und Anwaltbüros eingerichtet worden. Erfreulich ist die Erhaltung des opulenten Treppenhauses mit den aus Gußeisen und Stahl gefertigten alten Treppen.

Aus der Erfahrung heraus kann man sagen, dass die Erhaltung alter Bausubstanz auch für kommerzielle Nutzungen interessant ist, weil dies preisgünstiger ist als ein Neubau. Selbst heute große Firmen haben nicht selten in Altbauten angefangen. Ein zweites Motiv kommt dazu. Es gibt Unternehmen, für die die Atmosphäre eines alten Industriebaus vorteilhaft fürs Image ist. Es gab im letzten Jahrzehnt die überraschende Erfahrung, dass junge und zukunftsorientierte Firmen ihre Bürohäuser der 1970er oder 1980er Jahre verlassen haben, um sich in umgebauten Industriebauten anzusiedeln. Für Hamburg ist dieser Vorgang durch eine Studie der renomierten Immobilienberatungsunternehmen Jones Lang Wootton GmbH untersucht und belegt worden.

Beide Motive zur Neunutzung altindustrieller Bausubstanz gelten besonders auch für Kultureinrichtungen. Auch hierzu gibt es im Kölner Nordwesten einige Beispiele.

Biergarten der Als Kneipe und Diskothek ist seit langem das "Underground" an der Vogelsanger Straße etabliert. Nicht weit davon entfernt befindet sich ebenfalls in einer alten Industriehalle die "Live Music Hall". Eine ähnliche Nutzungsidee wurde im Gewerbegebiet Girlitzweg mit dem "Tor 2" realisiert.

Mit dem Arturo-Theater und dem Rose-Theegarten Ensemble gibt es zwei Theatergruppen. Bemerkenswert ist das Arturo-Theater. In den alten Industriebauten hat sich eine nach eigenen Angaben größte Schauspielerschule Deutschlands mit über 100 Schülern angesiedelt. Der Theatersaal befindet sich in dem alten Kesselhaus, das von dem mächtigen Schornstein überragt wird. Auch das Haus des Karnevals am Maarweg nutzt die alten Hallen und das Verwaltungsgebäude der ehemaligen Niederlassung von Buderus.

Das Zur Kategorie der Spontannutzungen zähle ich die Künstlerateliers und das Zirkus-Cafe "Bel Air" auf dem Sidol-Gelände. Hier wurde mit relativ wenig baulichem Aufwand in den früheren Produktionsgebäuden eine Möglichkeit für eine Vielzahl von kulturellen Aktivitäten geschaffen. Die Nutzung war allerdings zeitlich beschränkt, so daß mittlerweile das Kesselhaus leersteht. Für das Bel Air ist die Zukunft auf dem Sidol-Gelände ebenfalls ungewiß.

Einen anderen Weg ging ein Investor im Gewerbegebiet Grüner Weg. Hier gab es ein Kesselhaus mit Kohlensilo der Farbwerke F. A. Hospelt. Kesselhaus und Silo wurden umgebaut für Künstlerateliers. Der vergleichsweise hohe bauliche Aufwand schlägt sich hier aber auch in den angesetzten Mietpreisen von 25,-DM/qm (Stand 2002) nieder. Der Investor hat Interesse an dieser Art von Investition gefunden und plant nun auch einen Umbau der benachbarten Halle der Schiffsschraubenfabrik Ostermann. Hierfür liegen inzwischen drei Entwürfen verschiedener Architekturbüros vor.

Sidolwerke an der Eupener StraßeDie gezeigten Beispiele geben Aufschluß über einen sinnvollen Umgang mit historischer Bausubstanz. Ein Teil der Gebäude sind Denkmäler. Denkmalpflege ist das älteste bekannte Prinzip einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Denn die Denkmalpflege strebt die Erhaltung der denkmalwerten Gebäude auf Dauer an, im Prinzip für die Generationen der folgenden Jahrhunderte. Im räumlichen und sachlichen Umfeld der Denkmale gibt es eine Reihe von Bauten, die ebenfalls zum historischen Stadtbild gehören und zu dessen Verständnis beitragen. In einem historischen Industriegebiet gehören dazu: Schornsteine, Gasbehälter und Industriehallen. Die Beispiele in den Industrievierteln des Kölner Nordwestens belegen das subjektive Interesse an Erhaltungslösungen und zwar über den Bestand an Industriedenkmälern hinaus auch für andere historische Industriebauten. Die Beispiele zeigen eine Alternative zu den Verhaltensweisen der Wegwerfgesellschaft, bieten auch eine Lösung für die immer weiter wachsenden Schutt- und Müllberge, deren Beseitigung Energie kostet oder Landschaft beansprucht. Wenn es aber gelingt, Energie und Landschaft zu sparen, tragen wir aber zum Prinzip der Nachhaltigkeit bei.